Magersucht ist mehr als „nicht essen wollen“
„Iss doch einfach wieder was.“ – „Die will halt dünn sein.“ – „Das ist nur ’ne Phase.“
Solche Sätze fallen leider immer noch viel zu oft, wenn jemand an Magersucht erkrankt. Aber hinter dieser Essstörung steckt mehr als nur ein paar ausgelassene Mahlzeiten oder ein Wunsch nach Aufmerksamkeit. Magersucht ist eine ernste psychische Erkrankung. Sie kann das Denken, Fühlen und Handeln stark beeinflussen. Das gilt sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen und Freunde.
Oft wird Magersucht nur als körperliches Problem wahrgenommen. Meist fängt es im Kopf an: mit kreisenden Gedanken, innerem Druck, dem Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben oder schlichtweg nicht gut genug zu sein. Viele erleben Scham, Überforderung oder emotionale Leere. Es scheint, als würde der Verzicht aufs Essen die Lösung sein, um sich wieder sicherer zu fühlen. Und genau das macht Magersucht so schwer greifbar – vor allem für Außenstehende.
Die Gründe für Magersucht sind also vielschichtig: Psychische Belastungen, soziale Faktoren, familiäre Erfahrungen, gesellschaftlicher Druck oder das ständige Vergleichen auf Social Media. All das kann zusammenkommen und dazu führen, dass sich eine Essstörung entwickelt. Es gibt nicht die eine Ursache, sondern viele mögliche Wege, die zu einer Magersucht führen können.
In diesem Artikel erklären wir dir die Ursachen der Magersucht verständlich und einfühlsam. Denn wenn man mehr versteht, kann man auch achtsamer mit sich selbst und anderen umgehen.
Was ist Magersucht? Eine verständliche Einführung
Magersucht – medizinisch auch Anorexia nervosa genannt – gehört zu den bekanntesten Essstörungen. Viele denken dabei an extrem dünne Mädchen, die „einfach nichts mehr essen wollen“. Aber dieses Klischee ist viel zu kurz gedacht. Tatsächlich geht es bei Magersucht nicht nur ums Essen oder ums Gewicht, sondern um deutlich tiefere Themen: Kontrolle, Selbstwert, Angst und Überforderung.
In Deutschland erkranken laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 14 von 1.000 Mädchen und Frauen sowie etwa 2 von 1.000 Jungen und Männern an Magersucht. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der stationären Krankenhausaufenthalte wegen Magersucht bei Kindern und Jugendlichen. Im Jahr 2023 gab es 42 % mehr Einweisungen bei den 9- bis 14-Jährigen und 25 % mehr bei den 15- bis 19-Jährigen als 2019 (Quelle: Welt.de und frontiers).
Wenn jemand Magersucht hat, dann will die Person unbedingt abnehmen oder nicht zunehmen. Meistens wird auch genau aufgepasst, wie viele Kalorien man zu sich nimmt. Außerdem wird oft sehr viel Sport gemacht oder man isst ganz bestimmte Mahlzeiten nicht. Auch wenn der Körper oft sichtbar geschwächt ist, nehmen sich viele Betroffene weiterhin als „zu dick“ wahr. Dieses verzerrte Körperbild, das sogenannte Körperschema, spielt eine zentrale Rolle.
Zu den häufigsten körperlichen Symptomen zählen:
- schneller Gewichtsverlust,
- Ausbleiben der Periode,
- Frieren, trockene Haut, Haarausfall,
- Kreislaufprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten.
Aber Magersucht zeigt sich nicht nur körperlich. Viele haben psychische und emotionale Probleme, leiden unter Schuldgefühlen, Anspannung, Ängsten, trauriger Stimmung oder dem Gefühl, nicht genug zu sein. Viele ziehen sich zurück, meiden soziale Situationen, in denen gegessen wird, oder entwickeln Rituale rund ums Essen.
Gerade bei Jugendlichen ist Magersucht oft schwer zu erkennen. Nicht alle Betroffenen sind stark untergewichtig. Manche halten ihr Gewicht, obwohl sie heimlich hungern oder extrem restriktiv essen. Diese Form nennt man „atypische Anorexie“. Andere wirken nach außen überdurchschnittlich leistungsfähig – in der Schule, im Sport, im Alltag. Aber was dabei in einem selbst vorgeht , das bleibt oft lange geheim.
Es ist also wichtig, auch auf Verhaltensänderungen, Stimmungsschwankungen oder Rückzug zu achten und nicht nur auf die Zahl auf der Waage. Magersucht ist eine komplexe Erkrankung. Und genau deshalb braucht sie Wissen, Offenheit und Mitgefühl.
Ursachen von Magersucht: Warum entwickelt jemand eine Essstörung?
Wenn jemand an Magersucht erkrankt, ist die erste Frage oft: Warum? Warum entwickelt ein Mensch so ein zerstörerisches Verhältnis zum eigenen Körper? Warum hört er nicht einfach wieder auf zu hungern? Solche Fragen stellen sich Betroffene selbst, aber auch Eltern, Freunde oder Lehrkräfte. Die Antwort ist aber nicht so einfach.
Denn Magersucht hat nicht nur eine Ursache. Die Experten nennen das bio-psycho-soziales Modell: Demnach entstehen Essstörungen, wenn verschiedene Dinge zusammenkommen, nämlich biologische, psychische und soziale Faktoren. Sie können gemeinsam das Risiko erhöhen.
Biologische Faktoren
Essstörungen entstehen nicht einfach aus dem Nichts und schon gar nicht aus einer „Phase“ oder einem Wunsch, Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Forschung zeigt: Biologische und genetische Einflüsse spielen eine größere Rolle, als lange angenommen wurde.
Viele Betroffene haben eine familiäre Vorbelastung – etwa durch psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Zwangsstörungen. Auch Essstörungen selbst treten in manchen Familien gehäuft auf. Besonders eindrücklich zeigen das Zwillingsstudien: Wenn ein eineiiger Zwilling erkrankt, entwickelt im Schnitt in zwei von drei Fällen auch der andere eine Magersucht. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass genetische Faktoren maßgeblich beteiligt sind.
Inzwischen geht man davon aus, dass bis zu 60 % der Anfälligkeit für Magersucht genetisch bedingt sein könnten. Es gibt nicht das „eine Essstörungs-Gen“, sondern viele kleine genetische Varianten, die gemeinsam das Risiko erhöhen und noch längst nicht alle sind bekannt. Klar ist aber: Der genetische Anteil ist deutlich größer, als man es noch vor wenigen Jahren angenommen hat.
Auch neurobiologische Prozesse können eine Rolle spielen. So ist bei vielen Betroffenen das Hormon Ghrelin, das für Hunger- und Sättigungsgefühle zuständig ist, auffällig hoch. Doch obwohl der Körper Hunger signalisiert, bleibt das Hungergefühl oft aus, denn das Gehirn reagiert nicht mehr so, wie es eigentlich sollte. Das kann erklären, warum viele Betroffene selbst bei starkem Untergewicht das Bedürfnis zu essen nicht mehr spüren.
Diese Erkenntnisse sind nicht nur wissenschaftlich spannend – sie können auch emotional entlasten. Denn häufig steht, unausgesprochen oder ganz direkt, die Frage im Raum: „Haben wir etwas falsch gemacht?“ Gerade ältere therapeutische Ansätze neigen dazu, familiäre Strukturen überzubewerten und ungewollt Schuldgefühle zu verstärken.
Heute weiß man: Magersucht ist nie die Folge eines einzelnen Auslösers und schon gar nicht „die Schuld“ der Eltern. Sie entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel aus genetischen Anlagen, psychischen Faktoren und sozialen Einflüssen. Und genau deshalb braucht sie kein Urteil, sondern Verständnis.
Psychische Faktoren
Viele Betroffene haben bestimmte psychische Merkmale. Zum Beispiel haben sie ein geringes Selbstwertgefühl, sie wollen immer perfekt sein oder glauben, nie gut genug zu sein. Manche haben übertriebene Ansprüche an sich selbst, andere haben tiefe Schuld- oder Schamgefühle und versuchen, das mit strenger Kontrolle über das Essverhalten in den Griff zu kriegen. Auch traumatische Erfahrungen, wie emotionale Vernachlässigung, Mobbing, Trennung der Eltern oder Missbrauch, können Risikofaktoren sein, die in eine Essstörung münden.
Soziale und kulturelle Faktoren
Es gibt noch andere Dinge, die eine Rolle spielen: Wenn zu Hause Stress ist, Mobbing, Druck in der Schule oder bei der Leistung, oder wenn man gesellschaftliche Schlankheitsideale hat oder aber auch der Einfluss von Social Media. Gerade Jugendliche sind hier besonders gefährdet. Sie zählen zur Risikogruppe mit den höchsten Magersuchtraten. Eine Studie der Stiftung Gesundheitswissen hat gezeigt, dass etwa 20 % der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland Anzeichen für eine Essstörung haben. Mädchen sind dabei etwa doppelt so häufig betroffen wie Jungen.
Wichtig ist: Niemand ist schuld, wenn jemand an einer Essstörung erkrankt, weder die betroffene Person noch ihr Umfeld. Magersucht ist kein Zeichen von Schwäche oder Eitelkeit. Sie ist eine ernstzunehmende Reaktion auf innere und äußere Belastungen.
Psychische Ursachen: Wenn Kontrolle Sicherheit geben soll
Warum hört jemand nicht einfach auf zu hungern, wenn der Körper längst erschöpft ist? Warum halten die Personen ihr strenges Essverhalten sogar dann aufrecht, wenn das Umfeld sich Sorgen macht? Um die Fragen zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick auf die psychischen Ursachen einer Essstörung werfen. Insbesondere auf das, was im Inneren vor sich geht.
Viele Magersüchtige sind ständig angespannt. Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“, „Ich muss perfekt sein“ oder „Ich verliere die Kontrolle“ bestimmen den Alltag. Das restriktive Essverhalten ist dann so eine Art Lösung: Es bringt Struktur, Ruhe und vermittelt Kontrolle in einer Welt, die oft chaotisch und überfordernd ist.
Oft liegen auch andere psychische Erkrankungen vor. Studien zeigen, dass mehr als 70 % der Betroffenen mindestens eine psychische Begleiterkrankung haben. Besonders häufig sind Depressionen, Angststörungen oder zwanghafte Persönlichkeitszüge. Auch ein übersteigertes Verantwortungsgefühl, Perfektionismus oder der Wunsch, es allen recht zu machen, können zu einer Erkrankung führen. Das Hungern wirkt dabei kurzfristig beruhigend. Das scheint erstmal eine gute Ablenkung zu sein, aber es kann schnell zur gefährlichen Gewohnheit werden.
Die Krankheit ist besonders tückisch: Sie belohnt einen scheinbar für Disziplin, zum Beispiel durch Gewichtsverlust oder Kontrolle über den eigenen Körper. Das führt dann zur inneren Beruhigung oder sogar Anerkennung von außen. Das wiederum verstärkt das Verhalten. Gleichzeitig werden die Selbstzweifel, die Isolation und die körperliche Schwäche immer schlimmer.
Wenn es auf den ersten Blick besser läuft, kann das manchmal gefährlich sein. Viele, die davon betroffen sind, erleben Rückfälle, wenn alte Muster oder Belastungen wieder auftauchen. Laut BZGA erleiden rund 30 % der Betroffenen im ersten Jahr nach einer stationären Behandlung einen Rückfall (Quelle: BZGA).
Die psychischen Ursachen für eine Magersucht sind oft nicht sofort klar, aber sie sind da und sollten genauso beachtet werden wie körperliche Symptome.
Soziale & familiäre Auslöser: Zwischen Erwartungen und Überforderung
Magersucht entsteht selten einfach so aus dem Nichts. Neben inneren Konflikten spielen oft auch das soziale Umfeld und familiäre Dynamiken eine wichtige Rolle. Besonders in der sensiblen Phase der Jugend, wenn Identität, Körperbild und Selbstwert noch in Entwicklung sind, können äußere Einflüsse schnell zur Belastung werden. Das kann manchmal ziemlich weitreichende Folgen haben.
Soziale Auslöser von Magersucht können ganz unterschiedlich sein. Oft fängt es ganz leise an und man merkt es kaum, aber es ist da: gut in der Schule sein, im Sport Leistung zeigen, „funktionieren“ oder bloß nicht auffallen. Wer ständig das Gefühl hat, Erwartungen erfüllen zu müssen, sucht irgendwann nach einem Ventil. Das restriktive Essverhalten wird dann zu einer scheinbaren Lösung. Ein Weg, um die Kontrolle zurückzugewinnen, etwas perfekt zu machen oder sich überhaupt noch zu spüren.
Auch familiäre Belastungen können eine Rolle spielen: Konflikte, Trennungen, psychische Erkrankungen im Umfeld oder ein Mangel an emotionaler Zuwendung. Es geht dabei nicht um Schuld, sondern um Strukturen. Wenn jemand sehr leistungsorientiert ist, wenig Emotionen zeigt oder hohe Anforderungen an sich stellt, kann das unter Umständen eine Essstörung begünstigen .
Und manchmal ist es genau umgekehrt: In scheinbar besonders harmonischen Familien fällt es Jugendlichen schwer, über eigene Sorgen zu sprechen. Aus Angst, das „Familienglück“ zu stören, ziehen sie sich zurück und verlagern den inneren Druck auf das Essverhalten. Magersucht wird dann zur ungesagten Botschaft: „Ich komme nicht klar.“ Nur eben ohne Worte.
Und dann gibt es auch noch die ganzen negativen Erfahrungen im sozialen Umfeld. Mobbing, Bodyshaming oder der ständige Vergleich mit anderen – vor allem über Social Media. Dort sind scheinbar perfekte Körper und durchgestylte Leben der Standard. Wer sich sowieso unsicher fühlt, sieht in diesen Bildern oft die eigenen Zweifel bestätigt.
Wenn Worte fehlen, kann das Essverhalten zur Sprache werden. Es sagt: „Ich komme nicht klar.“, aber eben ohne es direkt zu sagen. Es ist also echt wichtig, genau hinzuschauen und zuzuhören, bevor man vorschnell urteilt.
Soziale Auslöser von Magersucht kann man nicht immer vermeiden, aber man kann sie besser verstehen und reflektieren. Und genau das ist oft der erste Schritt zur Veränderung.
Gesellschaft & Schönheitsdruck: Wie Ideale krank machen können
Der Druck, so auszusehen wie die anderen, ist überall. In der Werbung, in Serien, auf Plakatwänden und ganz besonders in den sozialen Medien. Schlanke, definierte Körper stehen oft für Disziplin, Erfolg oder Attraktivität. Wer dem nicht entspricht, fühlt sich schnell „nicht gut genug“. Für viele Jugendliche fängt hier ein gefährlicher Teufelskreis aus Selbstzweifeln, Vergleichen und Anpassungsdruck an.
Ein Begriff, den wir hier oft hören, ist Diätkultur. Viele denken ja: „Schlank ist besser“. Wer abnimmt, gilt als diszipliniert, wer zunimmt, als schwach. Solche Denkmuster haben oft Auswirkungen auf unser Körpergefühl, auch wenn wir das nicht bewusst merken. Besonders verletzlich sind junge Menschen, deren Selbstbild sich noch entwickelt.
Die permanente Bilderflut auf Instagram, TikTok & Co. verstärkt diesen Druck. Studien zeigen: Wenn Jugendliche öfter in sozialen Medien unterwegs sind, kann das dazu führen, dass sie unzufriedener mit ihrem Körper sind. Die Mental Health Foundation sagt, dass 40 % der Teenager zwischen 13 und 19 Jahren gesagt haben, dass sie sich wegen Bildern in den sozialen Medien Sorgen um ihr Aussehen machen (Quelle: Mentalhealth Foundation).
Gerade Influencer, die scheinbar mühelos perfekte Körper präsentieren, setzen Maßstäbe, auch wenn viele dieser Bilder bearbeitet oder inszeniert sind. Manche Leute sind so besessen davon, diesen Idealen zu entsprechen, dass es für sie zu einer Art Wahn wird.
Übrigens: Dieser Druck betrifft nicht nur Mädchen. Auch Jungen und nicht-binäre Jugendliche stehen immer mehr unter dem Einfluss von Körperidealen – oft ohne, dass ihre Unsicherheit ernst genommen wird. Bei solchen Fällen kann sich eine Magersucht durch Social Media besonders langsam einschleichen.
Und auch andere Essstörungen wie Bulimie entstehen oft, wenn man sich an solchen Idealen orientiert. Wer ständig das Gefühl hat, nicht zu genügen, sucht irgendwann nach Wegen, wieder Kontrolle zu bekommen. Und genau da fangen für viele die Probleme mit dem Essen an. Meist merken die Betroffenen das erst spät und es entwickelt sich langsam.
Magersucht betrifft viele – auch wenn es nicht so scheint
Magersucht wird oft mit jungen Frauen in Verbindung gebracht. Aber diese Vorstellung ist zu einseitig und führt dazu, dass viele Betroffene nicht gesehen werden. Magersucht kann überall auftreten, auch bei Männern, LGBTQIA+ Personen oder Leistungssportlern. Oft bleibt ihre Erkrankung unerkannt oder wird nicht ernst genommen.
Magersucht bei Männern: Das unsichtbare Leiden
Essstörungen bei Männern sind oft nicht so offensichtlich und werden kaum thematisiert. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sagt, dass etwa 2 von 1.000 Männern im Laufe ihres Lebens an Magersucht erkranken. Zum Vergleich: Bei Frauen sind es etwa siebenmal so viele. Die Dunkelziffer ist aber wahrscheinlich deutlich höher. Viele Männer suchen erst spät Hilfe oder erkennen ihre Symptome selbst nicht, auch, weil Magersucht noch immer als „Frauenthema“ gilt. (Quelle: Tagesspiegel).
Diese Stigmatisierung macht es schwer, über Gefühle oder Hilfebedarf zu sprechen. Die inneren Konflikte sind ähnlich wie bei weiblichen Betroffenen: Der Wunsch nach Kontrolle, Selbstoptimierung und Angst, zu versagen.
Magersucht in der LGBTQIA+ Community: Zwischen Identität und Körperbild
Menschen aus der LGBTQIA+ Community haben öfter mit Essstörungen zu kämpfen. Laut Studien sind besonders schwule und bisexuelle Männer häufiger betroffen als heterosexuelle Männer (Quelle: PMC). Die Gründe dafür sind vielfältig: Diskriminierungserfahrungen, Identitätskonflikte und der Druck, einem idealisierten Körperbild zu entsprechen, spielen eine zentrale Rolle.
Viele LGBTQIA+ Jugendliche brauchen Anerkennung und Akzeptanz. So kann der eigene Körper schnell zur Projektionsfläche werden. Manche wollen sich abgrenzen oder anpassen und greifen zu extremen Mitteln – auch beim Essen.
Magersucht im Leistungssport: Wenn der Körper zur Maschine wird
Auch beim Sport ist das Risiko hoch, vor allem, wenn es um Gewicht oder Körperform geht. Die Universität Zürich hat herausgefunden, dass ungefähr 45 % der Leistungssportlerinnen und 19 % der männlichen Leistungssportler Anzeichen von Essstörungen haben (Quelle: Uni Zürich). Der ständige Druck, fit, kontrolliert und leistungsfähig zu sein, kann krankhafte Verhaltensweisen begünstigen.
Besonders gefährdet sind Athleten in Sportarten mit ästhetischem Anspruch, also dort, wo Bewegungen nicht nur effektiv, sondern auch „schön“ sein sollen wie zum Beispiel im Turnen, Ballett oder Eiskunstlauf. Hier wird nicht nur die Leistung bewertet, sondern auch das Aussehen des Körpers.
Aber auch Sportarten mit Gewichtsklassen etwa Boxen, Judo oder Ringen sowie Disziplinen, in denen das Körpergewicht direkte Auswirkungen auf die Leistung hat, wie beim Skispringen oder Radsport, bergen ein erhöhtes Risiko. Wer leichter ist, springt weiter oder fährt schneller. Diese Botschaft setzt sich oft früh fest und kann zu restriktivem Essverhalten führen.
Ein prominentes Beispiel ist Ex-Skispringer Sven Hannawald, der öffentlich über seine Erfahrungen mit Magersucht und psychischer Erschöpfung gesprochen hat. Damit wurde er zu einem wichtigen Vorbild für viele andere Betroffene, besonders im Spitzensport, wo solche Themen lange tabuisiert waren.
Magersucht betrifft Menschen aus allen möglichen Lebensrealitäten.
Es ist Zeit, diese Vielfalt zu erkennen und sie in der Aufklärung mitzudenken. Nur so kann echte Hilfe entstehen.
Magersucht & Medien: Wenn der Algorithmus mitschneidet
Für viele Jugendliche sind soziale Medien ein fester Bestandteil ihres Alltags. Sie nutzen sie zum Austausch, zur Inspiration oder zur Selbstdarstellung und das ist auch erstmal völlig normal. Aber gerade bei Themen rund um Körper und Aussehen kann aus Motivation schnell Druck werden. Besonders wenn es um Magersucht geht, sind soziale Medien zwiespältig: Einerseits informieren sie, andererseits bergen sie aber auch viele Risiken.
Bestimmte Inhalte haben eine regelrechte Verstärkerwirkung: Hashtags wie #thinspo („thin inspiration“) oder Formate wie „What I eat in a day“ zeigen vermeintlich ideale Körper und Essgewohnheiten – oft stark kalorienreduziert, einseitig oder sogar gefährlich restriktiv. Die bearbeiteten Bilder, Filter und „Für dich“-Seiten, die von Algorithmen gesteuert werden, vermitteln ein verzerrtes Bild davon, wie man „aussehen sollte“.
Gerade wenn man sowieso schon unsicher ist, wird man davon schnell beeinflusst. Studien zeigen: Wenn man sich ständig mit anderen auf Social Media vergleicht, kann das zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und sogar zu Essstörungen führen. Das gilt besonders für Jugendliche. Oft geht der Einstieg in eine Magersucht durch Social Media schleichend und wird lange nicht als solcher erkannt.
Deshalb ist es umso wichtiger, digitale Räume bewusst zu gestalten. Dazu gehört:
- das Entfolgen toxischer Inhalte
- die Nutzung von Tools zur Bildschirmzeitbegrenzung
- das Folgen von Accounts, die Vielfalt, Körperakzeptanz und mentale Gesundheit stärken
Denn: Social Media kann auch dabei helfen zu stärken, wenn man sich bewusst für das entscheidet, was einem guttut.
Fazit: Magersucht verstehen ohne zu vereinfachen
Magersucht ist keine Phase. Kein Lifestyle. Kein Zeichen von Eitelkeit. Und erst recht kein Problem, das man „einfach mal in den Griff bekommt“. Hinter einer Magersucht stecken echte, ernste Themen: Ängste, innerer Druck, das Bedürfnis nach Kontrolle und oft das tiefe Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Wenn man sich mit den Ursachen von Magersucht beschäftigt, merkt man schnell: Es geht nicht einfach nur ums Essen oder ums Gewicht. Es geht um das, was darunter liegt – Gedanken, Emotionen, Erfahrungen. Deshalb ist es so wichtig, das Thema nicht vorschnell zu beurteilen oder zu verharmlosen.
Was hilft? Offenheit. Wissen. Und Mitgefühl mit den Betroffenen, mit den Angehörigen, mit sich selbst. Rückschritte gehören zum Weg dazu. Manchmal muss man einfach Geduld haben. Und manchmal reicht ein einziger verständnisvoller Moment, damit sich etwas verändert.
Egal ob du selbst betroffen bist oder jemanden unterstützen möchtest: Jeder Schritt zählt. Und oft ist das ehrliche Zuhören und Verstehen der erste und wichtigste Schritt.
Was du tun kannst und wie eatappie helfen kann
Wenn man selbst von einer Essstörung betroffen ist oder denkt, dass man es sein könnte, dann will man vor allem eins: Dass man nicht bewertet wird. Viele Jugendliche versuchen, alles allein zu bewältigen. Und auch Angehörige fragen sich oft: Was hilft wirklich? Wo hört die Sorge auf und wo fängt Druck an?
Es kann helfen, sich erstmal zu informieren. Zum Beispiel über die Ursachen, typische Denk- und Verhaltensmuster oder frühe Warnzeichen. Denn wenn man versteht, was im Hintergrund passiert, kann man mit mehr Achtsamkeit reagieren – gegenüber anderen und sich selbst.
Wenn du betroffen bist und nicht weißt, wo du anfangen sollst, reicht oft schon ein kleiner Moment: Gedanken aufschreiben. Gefühle beobachten. Oder noch besser, ehrlich sagen: „Ich schaffe das gerade nicht allein.“ Genau da setzt eatappie an.
Die App ist speziell für Jugendliche mit Magersucht oder Bulimie gedacht. Sie kann als digitale Begleitung im Alltag, zur Überbrückung von Wartezeiten auf einen Therapieplatz oder begleitend zur Behandlung genutzt werden. Die Inhalte basieren auf bewährten Methoden der Verhaltenstherapie und helfen dabei:
- Gedanken und Muster besser zu verstehen
- neue Routinen im Alltag zu entwickeln
- Mahlzeiten achtsam zu planen
- und liebevoll mit dir selbst umzugehen
Die App beinhaltet ein 12-Wochen-Programm, einen Mahlzeitenplaner und fünf virtuelle Therapiebegleiter, die durch den Alltag führen, motivieren oder einfach da sind, wann immer es nötig ist.
eatappie ersetzt keine Therapie! Kann aber Halt geben, wenn Unterstützung im Alltag gebraucht wird. Ohne Druck, ohne Bewertung. Dafür mit Verständnis, Struktur und einem geschützten Raum, der ganz auf die Bedürfnisse von Jugendlichen mit Essstörungen ausgerichtet ist.
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FAQ: Häufige Fragen rund um Magersucht
Was sind häufige Ursachen für Magersucht?
Magersucht entsteht, wenn verschiedene Dinge zusammenkommen. Dazu zählen zum Beispiel psychische Belastungen wie Perfektionismus oder ein geringes Selbstwertgefühl, familiäre Konflikte, traumatische Erfahrungen, sozialer Druck sowie gesellschaftliche Einflüsse wie unrealistische Schönheitsideale oder Diätkultur. Auch Social Media kann eine Rolle spielen. Es gibt nicht nur eine einzelne Ursache, sondern viele mögliche Auslöser, die sich gegenseitig verstärken können.
Können auch Jungen Magersucht bekommen?
Ja. Auch Jungen und Männer können an Magersucht erkranken. Das wird jedoch häufig übersehen. Einerseits, weil Essstörungen lange als „Mädchenthema“ galten. Andererseits, weil sich die Symptome bei männlichen Betroffenen oft anders zeigen: Häufig steht der Wunsch nach Muskeldefinition statt Gewichtsverlust im Vordergrund. Viele essen sehr kontrolliert oder selektiv und steigern den Sportanteil deutlich. Auch wenn das Gewicht äußerlich unauffällig bleibt, sind die Folgen für Körper und Psyche ähnlich schwerwiegend wie bei weiblichen Betroffenen.
Wie erkenne ich Magersucht bei Jugendlichen?
Mögliche Anzeichen sind starker Gewichtsverlust, auffällige Essensrituale, das Vermeiden von Mahlzeiten, ein verzerrtes Körperbild oder Rückzug von Freunden und Familie. Auch Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen oder ein übermäßiger Fokus auf „gesundes“ Essen können Hinweise sein. Wichtig: Magersucht bedeutet nicht immer, dass jemand untergewichtig ist. Schau auch auf das Verhalten.
Wie beeinflusst Social Media Essstörungen?
Social Media kann Essstörungen wie Magersucht verstärken, weil dort häufig bearbeitete Bilder, Diättrends oder gefährliche Hashtags wie #thinspo geteilt werden. Jugendliche vergleichen sich mit unrealistischen Körperbildern und entwickeln dadurch ein negatives Selbstbild. Der Algorithmus zeigt oft ähnliche Inhalte, was den Druck weiter erhöht.
Was können Angehörige bei Magersucht tun?
Angehörige können viel bewirken – vor allem dadurch, wenn sie geduldig sind, Verständnis zeigen und offen bleiben. Es ist wichtig, nicht zu drängen oder zu bewerten, sondern zuzuhören und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Es hilft, sich mit dem Thema Essstörungen auseinanderzusetzen, um besser zu verstehen, was im Hintergrund passiert. Außerdem ist es wichtig, rechtzeitig professionelle Hilfe zu suchen. Etwa durch ein Gespräch mit dem Kinderarzt oder einer Beratungsstelle und Betroffene bei der Suche nach geeigneter Therapie zu unterstützen.
Quellen:
bzga-essstoerungen.de/was-sind-essstoerungen, abgerufen am 11.05.2025
Hunger_nach_Leben_-_der_lange_Weg_aus_der_Magersucht.pdf, abgerufen am 11.05.2025
pausenlos-gesund.de, abgerufen am 11.05.2025
welt.de, abgerufen am 11.05.2025
mentalhealth.org.uk, abgerufen am 11.05.2025
tagesspiegel.de, abgerufen am 11.05.2025
Eating Disorders in Diverse Lesbian, Gay, and Bisexual Populations, abgerufen am 11.05.2025
Essverhaltensstorungen_im_Leistungssport, abgerufen am 11.05.2025
Uebersicht_Claussen_Essverhalten_Leistungssport_2017-11.pdf, abgerufen am 11.05.2025
Scoping review: outpatient psychotherapeutic care for children and adolescents in Germany—status quo and challenges in assessment, abgerufen am 15.05.2025